In vielen Teilen Deutschland wächst die Bevölkerung wieder und mit ihr der Bestand an Wohnungen. Für nachhaltiges, effizientes Bauen entwickeln verschiedene Forschungsinstitute der Zuse-Gemeinschaft praxistaugliche Innovationen – vom Ziegel bis zur Heizung.

Solarenergie vom Dach und von der Fassade

Dass Verbraucher nicht nur im Keller, sondern auch auf dem Dach Strom und Wärme kombiniert erzeugen können, zeigt das Institut für Solarenergieforschung  Hameln (ISFH). Dem in Kooperation mit Mittelständlern entstandenen und in Kleinserie verfügbaren solaren Hybridsystem gelingt eine effiziente Flächennutzung durch die gleichzeitige Umwandlung der Solarstrahlung in Nutzwärme und Strom.

Das funktioniert, indem der mit Flüssigkeit durchströmte Wärmeüberträger aus Aluminium zugleich das selbsttragende Montagesystem für die Photovoltaik-Module bildet, das ins Dach integriert ist.

Dass die Nutzung der Solarenergie nicht aufs Dach beschränkt bleiben muss, zeigt das Institut für Angewandte Bauforschung in Weimar (IAB). Zusammen mit Partnern hat es eine solaraktive Designfassade entwickelt. Auch am ISFH und an anderen Instituten der Zuse-Gemeinschaft arbeiten Forschende an der Integration der Solarenergie in Bauelemente.

Heizen mit Wasserstoff

Mit dem zu Ende gehenden Winter und der milderen Witterung erhöht sich die Aktivität auf den Baustellen. In den heute entstehenden Häusern bekommen nicht nur Menschen und Gewerbe ein neues Zuhause, es wird auch das Fundament für die Energieversorgung der Zukunft gelegt. Grundlagen dafür haben Wissenschaftler geschaffen: Wie z.B. Wasserstoff nachhaltig Energie liefert, weiß man beim DBI in Freiberg. Dort haben Forschende gezeigt, wie sich mit Wasserstoff in Brennstoffzellen hocheffizient nicht nur Heizenergie, sondern durch Kraft-Wärme-Kopplung auch Strom erzeugen lässt.

Der für die Brennstoffzellen benötigte Wasserstoff kann dezentral im eigenen Keller z.B. aus Erdgas gewonnen werden. Aber auch am direkten Einsatz nachhaltig erzeugten Wasserstoffs arbeiten die Wissenschaftler. Das DBI entwickelt dafür innovative Komponenten für Brennstoffzellen-Heizungen, wie Spitzenlastkessel und Deodorierungssysteme.

Ziegel arbeitet mit dem Schall

Ist die Gebäudehülle fertig, geht es an den Innenausbau, wo Materialien gefragt sind, die Behaglichkeit, Ruhe und ansprechende Optik verströmen. Eine Erfindung des Instituts für Ziegelforschung (IZF) bringt diese Eigenschaften in einem Schall schluckenden Keramikziegel zusammen. Der hat nur etwa ein Zehntel des Gewichts, den sein massives Pendant beanspruchen würde. Um das zu erreichen, nutzen die Bau-Experten aus Essen einen Trick: Am Anfang der Produktion steht ein Schaumstoffschwamm, der mit einer dünnen Tonschicht überzogen und dann gebrannt wird. Der Kunststoff verbrennt, doch der entstehende Ziegel behält die luftdurchlässige Struktur des Kunststoffs, auf dem er entstanden ist.

Wie alle offenporigen, porösen, Materialien kann der neue Ziegel hervorragend den Schall aufnehmen. Denn seine poröse Struktur erzeugt viel Reibung zwischen den Luftmolekülen, wodurch sie an Schallenergie verlieren. Der innovative Ziegel aus Essen eignet sich nicht nur zur Schalldämmung, sondern auch als schickes Gestaltungsobjekt in Seminarräumen, Restaurants oder Klassenzimmern. Hinzu kommt: Im Unterschied zu Akustikschaumstoffen erreicht er die höchste Brandschutzklasse A1.

Forschung mit Fingerspitzengefühl

Ist das Haus schlüsselfertig übergeben, heißt es umsichtig beim Einzug sein. Denn die meisten Unfälle passieren zu Hause – nicht zuletzt an Türen. Forschung mit Fingerspitzengefühl hat daher das Institut für Holzenergie (IHD) in Dresden abgeliefert: Die Tüftler entwickelten zusammen mit zwei Firmen eine neuartige Fingerschutzvorrichtung für die Montage an Innentüren. Der Mechanismus schlägt nur bei raschen Bewegungen an, langsam lässt sich die Tür hingegen ganz einfach schließen. Nicht nur zu Hause, sondern gerade auch in Kindergärten oder Schulen bewahrt dieser Einklemmschutz vor schlimmen Verletzungen.

„Bei zahlreichen weiteren Forschungsprojekten rund ums Bauen, sei es zur Energieversorgung oder Bauteilentwicklung, für Baustoffe und für Gebäudetechnik, haben Institute der Zuse-Gemeinschaft mehr als nur einen Fuß in der Tür für eine nachhaltige Entwicklung der Branche. Denn für erfolgreichen Technologietransfer arbeiten die Forschenden eng mit Unternehmen und anderen Praxispartnern zusammen“, erklärt die Geschäftsführerin der Zuse-Gemeinschaft, Dr. Annette Treffkorn.

Erfolgreiche Forschung kann damit zu nachhaltigem Bauen und Wohnen beitragen. Die Wohnflächennachfrage aller Haushalte wird sich laut Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Deutschland bis 2030 um rund 7 Prozent auf 3,5 Milliarden Quadratmeter erhöhen. Dies ist laut BBSR insbesondere dem Bedeutungsgewinn der Eigentümerhaushalte sowie der Zunahme der Haushaltszahlen geschuldet.

Die Zuse-Gemeinschaft ist ein Zusammenschluss von über 70 industrienahen, unabhängigen und gemeinnützigen Forschungseinrichtungen in Deutschland, die sich als dritte Säule der deutschen Forschungslandschaft neben den Hochschulen und den Großforschungsverbünden verstehen und vor allem als Forschungspartner für den Mittelstand agieren. Zusätzlich zu der Förderung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit der einzelnen Mitglieder besteht eine Kernaufgabe der Zuse-Gemeinschaft darin, die gemeinsamen Anliegen der Institute gegenüber dem Bund, den Ländern, der Wirtschaft, anderen Wissenschaftsorganisationen und der Öffentlichkeit zu vertreten.