Ende November 2023 fanden zwei hochrangige Forschungskonferenzen in Hameln zu neuartigen IBC-Solarzellen (von Interdigitated Back Contact, also verzahnter Rückkontakt), welche die Metallkontakte vollständig auf der Rückseite der Solarzellen anordnen, statt. Bei den heute üblichen beidseitig kontaktierten PERC- oder TOPCon-Solarzellen reflektieren die Metallfinger auf der Vorderseite einen Teil des einfallenden Sonnenlichts (siehe schematisch in der Abbildung rechts). Dieser Effekt tritt bei IBC-Solarzellen nicht auf, wodurch sie etwa 0,5% höhere Wirkungsgrade erzielen können. Zudem sehen die PV-Module mit IBC-Solarzellen homogen schwarz aus, wodurch sie für ästhetisch anspruchsvolle Gebäudeintegration sehr attraktiv sind. Entsprechend groß ist das Interesse der europäischen und weltweiten Photovoltaik-Industrie an diesen neuartigen IBC-Solarzellen, wozu das ISFH Ende November zwei Veranstaltungen organisiert hat.
Am 27. und 28. November 2023 fand das Projekttreffen des von der Europäischen Union geförderten Forschungsprojektes IBC4EU am ISFH in Emmerthal mit insgesamt 30 Teilnehmer*innen der 20 Projektpartner aus ganz Europa statt. Das ISFH entwickelt in diesem Projekt eine neuartige sogenannte POLO IBC-Solarzelle, welche bereits einen sehr guten Wirkungsgrad von bis zu 23,8% erzielt. Für das besonders schlanke und damit potenziell sehr kostengünstige Herstellverfahren der POLO IBC-Solarzelle hat das ISFH zusammen mit dem Projektpartner LPKF aus Garbsen eine Mikrometer-präzise strukturierte Glasschattenmaske entwickelt, durch die eine Nanometer-dünne ladungsträgersammelnde Polysiliziumschicht lokal auf den Silizium-Wafer abgeschieden wird.
Direkt im Anschluss, am 29. und 30. November 2023, hat das ISFH mit Konferenzleiter Dr. Thorsten Dullweber den Back Contact Workshop im Hotel Stadt Hameln mit 100 Teilnehmer*innen von international führenden Forschungsinstituten und Solarzellenherstellern organisiert. Themenschwerpunkt war auch hier die Technologieentwicklung zur Herstellung neuer IBC-Solarzellen und -PV-Module. Nach der Grußbotschaft durch den niedersächsichen Minister für Wissenschaft, Falko Mohrs, hielt Dr. Verena Mertens vom ISFH den Auftaktvortrag zur POLO IBC-Solarzelle.
Anschließend stellte der chinesiche Solarzellenhersteller Aiko, einer der größten Solarzellen-Produzenten der Welt, sein neues kommerzielles IBC-PV-Modul mit einem Spitzenwirkungsgrad von 24,0% vor, welches etwa 1,5% höher ist als PV-Module mit beidseitig kontaktierten Solarzellen. Auch der europäische Solarzellen- und PV-Modulhersteller Meyer Burger entwickelt IBC-Solarzellen, basierend auf der eigenen Heterojunction-Technologie (HJT), und präsentierte die Ergebnisse mit bis zu 24,7% Solarzellen-Wirkungsgrad auf dem Workshop. Als nächsten Entwicklungsschritt plant Meyer Burger den Übertrag der HJT-IBC-Solarzelle vom Labor in die Pilotproduktion und setzt dafür auch Schattenmasken ein ähnlich zu dem vom ISFH entwickelten POLO IBC-Prozess.
Das IBC4EU-Projekttreffen und der Back Contact Workshop zeigten während der insgesamt 4 Tage in vielen spannenden Vorträgen sehr eindrücklich das hohe Potenzial der neuen IBC-Solarzellentechnologie und die Innovationskraft der europäischen Solarzellenforschung auf. In moderierten Diskussionsrunden wurde aber seitens der europäischen Solarzellen- und PV-Modulhersteller auch ausdrücklich gemahnt, dass aufgrund hoher Subventionen in China, Indien und den USA bei gleichzeitig fehlender Unterstützung in Europa die Rahmenbedingungen für Solarzellen- und PV-Modulproduktion in Europa weiterhin sehr ungünstig seien. Daher würden neue Prouktionslinien derzeit in Asien und den USA gebaut und nicht in Europa. Wolle Europa die Solarzellen- und PV-Modulproduktion wieder ansiedeln und damit energiepolitisch unabhängig werden, müsse es ebenfalls geeignete Rahmenbedingungen schaffen, wie zum Beispiel die Förderung von Fabrikneubauten oder die Einrichtung eines bevorzugten Marktes für heimisch produzierte PV-Module. Dann würden die IBC-Solarzellen- und -PV-Modultechnologien auch in neuen PV-Modulfabriken in Deutschland und Europa produziert.
Links: Schematische Darstellung des Querschnitts von heute üblichen beidseitig kontaktierten PERC- und TOPCon-Solarzellen, bei denen die Metallkontakte auf der Vorderseite einen Teil des Sonnenlichtes reflektieren. IBC-Solarzellen (rechts) haben dagegen alle Metallkontakte auf der Rückseite, wodurch sie etwa 0,5% höhere Wirkungsgrade erzielen können und dies in Kombination mit einem ästhetisch homogen schwarzen Aussehen.
Begrüßung der 30 Teilnehmer*innen des IBC4EU-Forschungsprojekttreffens im Vortragsraum des ISFH. Das IBC4EU-Projekt wird von der EU gefördert und hat das Ziel, neuartige IBC-Solarzellen zu entwickeln, die anschließend in Europa produziert werden. | Foto: R. Kopecek
Der Back Contact Workshop zu neuen IBC-Solarzellen und -PV-Modulen wurde vom ISFH organisiert und fand im Hotel Stadt Hameln statt. Unter den 100 Teilnehmer*innen waren auch einer der weltweit größten Solarzellenhersteller Aiko Solar, China, der größte türkische Hersteller Kalyon PV, Türkei, sowie der europäische Hersteller Meyer Burger. | Foto: R. Kopecek