Emmerthal (OKa). Das diesjährige Hochschul-Kolloquium des Energieversorgers EWE wurde am 6. März 2017 gemeinsam mit dem niedersächsischen Institut für Solarenergieforschung (ISFH) in Emmerthal abgehalten. 17 Wissenschaftler, Hochschullehrer und Ingenieure diskutierten einen Tag lang Aspekte rund um das Thema „Regenerative Wärmeversorgung von Quartieren“.
„Der Wärmesektor trägt zu über 50% zum Endenergiebedarf in Deutschland bei. Nur etwa 13% davon stammen heute aus regenerativen Energiequellen“, schildert Dr. Oliver Ruch von der EWE VERTRIEB GmbH die Situation auf dem Wärmemarkt. „Welche Wege zur Dekarbonisierung des Wärmesektors können im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, gesellschaftlicher Akzeptanz und unternehmerischen Zielen beschritten werden?“
Mit dem Ausbau der regenerativen Erzeugungskapazitäten bei Wind- und Solarstrom entsteht zunehmend ein Ungleichgewicht zwischen Stromproduktions- und Strombedarfszeiten. Dieser Zusammenhang spielt in Regionen mit intensiver Windstromerzeugung, wie zum Beispiel der Region Weser/Ems, bereits heute eine große Rolle. „2015 wurden 10,5 TWh EEG-Strom in das Netzgebiet der EWE eingespeist, dieses entspricht im Verhältnis zur durchgeleiteten Energie einem Anteil von 85%“, erklärt Thomas Götze von der EWE NETZ GmbH. Überkapazitäten, die hier nicht untergebracht werden können, müssen abgeregelt werden. Die lokale Verwertung durch Strom-zu-Kraftstoff oder Strom-zu-Wärme Konzepte wird damit interessant. Einige Projekte der Sektorenkopplung realisiert EWE mit weiteren Partnern im Rahmen des SINTEG-Förderprojektes „enera“.
Die Energiewende im Wärmesektor muss lokalen Anforderungen gerecht werden. Jürgen Knies von der Jade Hochschule Oldenburg zeigt auf, wie mit Methoden der Geoinformatik energetische Nachbarschaftsmodelle entwickelt werden können, die in Zukunft die langfristige, regenerative Energieleitplanung unterstützen soll. Die Modelle liefern räumliche Angebots-/Bedarfsanalysen, die zum Beispiel für die Einbindung industrieller Abwärme zur Wärmeversorgung benötigt werden. Viele Beispiele aus Skandinavien zeigen auf, welche Rolle Wärmenetze spielen können. Georg K. Schuchardt, Leiter F&E des Fernwärme-Forschungsinstituts Hannover, schildert die Entwicklung der Fernwärmetechnologie von den Dampfnetzen der Gründerzeit zu den modernen Nahwärmenetzen der vierten Generation, in denen Niedertemperaturwärme aus unterschiedlichen regenerativen Quellen – Geothermie, Solarthermie, Umwelt- und Abwärme – optimal und flexibel kombiniert werden können. Am Beispiel des Neubauviertels Kassel-Feldlager zeigt Dr. Orozaliev von der Universität Kassel auf, wie solche Konzepte derzeit in konkrete Planungen umgesetzt werden.
Auch im Bereich der Bestandsquartiere stellen Fernwärme-basierte Versorgungslösungen eine effiziente Grundlage für die Einbringung regenerativer Ressourcen dar. Am Beispiel der Kommune Eberswalde in Brandenburg untersuchte EWE gemeinsam mit dem ISFH und dem Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam Möglichkeiten zur Integration von Solarenergie in ein bestehendes Fernwärmenetz. „Wenn Flächen zur Verfügung stehen, kann die Solarthermie auch in Bestandsnetzen der zweiten Generation problemlos zur Deckung der Sommergrundlast großer Quartiere beitragen“, erklärt Prof. Oliver Kastner vom ISFH. Solare Versorgungslösungen für die Winterperiode erfordern hingegen Lösungen für die Langzeit-Wärmespeicherung.
Am ISFH wird in kleinerem Maßstab gezeigt, wie solarthermische und geothermische Methoden sich hier ergänzen können: „Wir regenerieren Erdwärmesysteme mit Hilfe einfacher Solarkollektoren. Dadurch erreichen wir hohe Deckungsraten und können den Anlagenaufwand minimieren“, erklärt Dr. Giovannetti vom ISFH. Zum Einsatz können kosteneffiziente Kollektorsysteme kommen, die elegant in die Gebäudehülle integriert werden, wie Frau Vargas von der GeoClimaDesign AG aufzeigt.
Die Wärmepumpe stellt schließlich auch eine wichtige Kopplungstechnologie zwischen dem Wärme- und dem Stromsektor dar. Mit ihrer Hilfe können niedertemperierte Wärmepotentiale auf eine erforderliche Nutztemperatur angehoben werden. Die dazu benötigte Antriebsenergie kommt aus dem Stromsektor – im optimalen Fall aus Überschüssen der regenerativen Produktion. „Die erfolgreichen dänischen Wärmeversorgungs- Konzepte liefern Beispiele auch für die heimischen Versorgungslösungen“, erklärt Prof. Kastner. Ihr Erfolg beruhe auf der großen Flexibilität der Versorgungsanlagen, die konventionelle KWK mit innovativer, Wärmepumpen-basierter Speichertechnologie und Solarthermie effizient kombiniere. „Damit kann optimal auf die Produktionsschwankungen einer regenerativ-basierten Stromwirtschaft reagiert werden.“
Informationen zu EWE und ISFH
EWE
Mit einem Jahresumsatz von über 8 Milliarden Euro zählt die EWE AG zu den großen kommunalen Unternehmen in Deutschland. Das Konzernportfolio umfasst Energieprodukte, Telekommunikation vor allem in Nordwestdeutschland, Brandenburg und auf Rügen. Der Konzern mit Hauptsitz in Oldenburg verfügt über eigene Erzeugungskapazitäten aus erneuerbaren und konventionellen Energiequellen. Zudem betreiben EWE-Unternehmen Netze für Strom, Erdgas, Fernwärme und Kommunikation.
ISFH
Das ISFH ist ein außeruniversitäres Forschungsinstitut des Landes Niedersachsen und unabhängiges An-Institut der „Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover“. Es leistet in den Abteilungen „Photovoltaik“ und „Solare Systeme“ angewandte Forschung und Entwicklung für die Solarenergie. Damit trägt das ISFH zur Kostensenkung der Solarenergie bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Derzeitiger Geschäftsführer des ISFH ist der Physiker Prof. Rolf Brendel.