Die in 27Plus6 anvisierte Zellstruktur – eine Perowskit/Silizium-Tandemsolarzelle mit drei Anschlüssen (3-Terminal, abgekürzt 3T). Der blaue Anteil des Sonnenlichts wird durch die obere Perowskitsolarzelle und der rote Teil durch die untere 3T-Siliziumsolarzelle mit ineinandergreifenden Rückkontakten effizient genutzt, weshalb diese Zellstruktur höchste Wirkungsgrade verspricht.
Emmerthal/Karlsruhe/Blaubeuren: Das Institut für Solarenergieforschung Hameln/Emmerthal (ISFH), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die centrotherm International AG bündeln im Leuchtturmprojekt 27plus6 ihre Kompetenzen, um Leuchtturmwirkungsgrade für Solarzellen zu realisieren. Unterstützt werden sie vom Institut für Materialien und Bauelemente der Elektronik (MBE) der Leibniz Universität Hannover und von den Anlagenbauern Singulus, Meyer Burger Germany und von Ardenne, die als assoziierte Partnerunternehmen ihre spezifischen Kompetenzen in das Konsortium einbringen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit insgesamt 3,2 Mio. € gefördert.
Leuchttürme geben Orientierung. Das ist nicht nur in der Seefahrt so, sondern auch in der Technologieentwicklung für Photovoltaik (PV). Ein wichtiger Orientierungspunkt für die PV-Industrie bei der Überführung neuer Technologien in die Produktion ist deren Wirkungsgradpotential. Im neu gestarteten Forschungsprojekt soll ein solcher Orientierungspunkt gesetzt werden. Der Name 27plus6 ist dabei Programm: „Wir wollen mit unserer Siliziumtechnologie einen Leuchtturmwirkungsgrad von 27 Prozent erreichen. Zusätzlich wollen wir diese Solarzellen zu einem Tandem erweitern, das heißt, eine zweite Solarzelle aus Perowskit aufbringen. Durch die somit verbesserte Ausnutzung des Sonnenspektrums sollen dann sogar Wirkungsgrade von 33 Prozent erreicht werden“, sagt Projektleiter Dr. Sascha Wolter vom ISFH. Den Wert von hohen Laborwirkungsgraden auch für Industrieunternehmen unterstreicht Dr. Helge Haverkamp, Entwicklungsleiter bei centrotherm: „Für uns Anlagenbauer bietet die Integration von unseren Prozessen in die Herstellung dieser Rekordsolarzellen eine exzellente Werbeplattform im internationalen Wettbewerb“. Zusätzlich könnten, so Dr. Haverkamp, aktuelle Prozesse aus der Massenproduktion von Silizium-Solarzellen auf der sensitiven Plattform der Höchsteffizienzsolarzelle weiterentwickelt und optimiert werden. Die Projektförderung durch das BMWi unterstütze so die Innovationskraft der Unternehmen im strategisch wichtigen Markt der Erneuerbaren Energien.
Um eine industrielle Umsetzung zu beschleunigen, sollen nicht nur Leuchtturmwirkungsgrade unter Standardtestbedingungen erreicht, sondern auch ein signifikanter Mehrertrag in der Energieausbeute demonstriert werden. Das reale Sonnenspektrum ändert sich im Tages- und Jahresverlauf, was bei Tandemsolarzellen die Stromanpassung der beiden Subzellen erschwert, wenn diese in der typischen 2-Terminal-Konfiguration mit je einem elektrischen Kontakt auf der Vorder- und Rückseite verschaltet sind. In 27plus6 werden daher 3-Terminalzellen entwickelt, die sich durch eine größere Robustheit gegenüber dem sich im Tagesverlauf ändernden Sonnenspektrum auszeichnen. „In Verbindung mit einem innovativen Verschaltungskonzept bieten Solarmodule mit Zellen dieser Art einen höheren Energieertrag“, hebt Dr. Ulrich Paetzold, Forschungsgruppenleiter am KIT, hervor.
Das ISFH bringt in das 27plus6-Projekt zum einen seine Kompetenzen bei der Entwicklung von rückkontaktierten Si-Solarzellen mit passivierenden Kontakten ein, die schon 2018 in Zusammenarbeit mit dem MBE und centrotherm zu einem Wirkungsgradrekord für Siliziumsolarzellen von 26,1% führten. Zum anderen wird das ISFH die konforme Abscheidung von Perowskit-Absorbern auf texturierten Oberflächen mittels Ko-Verdampfen weiterentwickeln. Pionierarbeiten zu 3-Terminal-Tandemsolarzellen hat das ISFH in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen National Renewable Energy Laboratory geleistet. Das ISFH wird das Projekt 27plus6 koordinieren.
Das KIT steuert seine umfangreiche Expertisen im Bereich der Perowskit-Zellentwicklung dem Projekt bei. Dazu zählt zum Beispiel die Realisierung „zweidimensionaler“ Perowskit-Kristallstrukturen unter den Kontaktschichten, um mit Hilfe des so entstehenden Offsets in der Energiebandstruktur den „dreidimensionalen“ Perowskit-Absorber zu passivieren. Auch die jüngst vom KIT demonstrierte Perowskit-Solarzelle mit 20,7% bei einer für Perowskit/Silizium-Tandemanwendung idealen Bandlücke von 1,7 eV bietet einen exzellenten Startpunkt für das Projekt. Verschiedene Methoden und Materialien für die Herstellung höchsteffizienter Perowskit-Subzellen werden vergleichend evaluiert.
centrotherm trägt in dem Projekt seine qualifizierten Prozesse zur Abscheidung von Schichten für passivierende Kontakte bei, ohne die die angestrebten Wirkungsgrade auf Silizium nicht zu erreichen wären. Die Prozesse werden im Projekt weiterentwickelt und im Hinblick auf eine industrielle Produktion optimiert.
Die Wirkung von Leuchttürmen in der PV-Technologie ist gut dokumentiert: Der bereits erwähnte und seit 2018 bestehende p-Typ-Si-Weltrekord von 26,1%, der auf der Pionierarbeit von ISFH und MBE zu passivierenden Kontakten beruht, hat dazu geführt, dass diese Technologie breit adaptiert wurde. Derzeit überführen centrotherm und andere Anlagenbauer die Technologie in die Massenfertigung.
Mit der im Projekt angestrebten Demonstration eines signifikanten Energie-Mehrertrags gegenüber heutigen Si-Solarzellen können die Stromgestehungskosten durch PV noch unter den heute schon geringen Wert von 4 €ct/kWh für Deutschland sinken. Durch die hohe Flächeneffizienz könnten sich der PV zudem Spezialanwendungen wie die Integration in Elektrofahrzeuge erschließen.